14. Gastbeitrag: Frust

17.03.10

An dieser Stelle folgt der 14. Gastbeitrag aus der Blog-Reihe: „Ich sehe was, was du nicht siehst„. Geschrieben, gedacht, gesehen von Johanna und Henri auf Davaj.


Es ist 6:20 Uhr und unser Wecker fiept in genau der Tonlage, die wir am meisten hassen unaufhaltsam vor sich hin. Wir machen eine beherzte Bewegung, drücken auf den Aus- Schalter und stöhnen in die Dunkelheit. Einmal tief Luft holen und das Licht anmachen- schmerzverzerrtes Gesicht. Nach 5 Minuten resignieren wir und schleichen ins Badezimmer. Erst Dienstag. Frustrierend.

Wir sitzen in der Schule, auf demselben gottverdammten, kaugummigeflecktem Stuhl wie gestern, wir müssen aufs Klo, haben Hunger und interessieren uns überhaupt nicht für keynesianische Wirtschaftstheorien. Wir wollen ins Bett. Noch 5 Stunden Schule. Wir würden gerne aufhören, dauernd auf die Uhr zu gucken, und es ist immer erst eine Minute vergangen, wenn wir nach gefühlten 15 Minuten hoffnungsvoll unser Handy zücken. Frustrierend.

Auf dem Weg nach Hause sind wir gar nicht so glücklich, wie wir noch in dem muffigen Klassenzimmer dachten, dass wir glücklich sein werden. Zu Hause wartet ein riesiger Stapel Arbeit. Und ins Bett schaffen wir‘s sowieso erst wieder um 9. Scheißwelt. Wieso fährt der Typ vor uns so lahm? Wir haben noch besseres zu tun, als hier rumzuschleichen. Naja, eigentlich nicht. Frustrierend.

Es ist Freitagnachmittag und wir feuern unsere Arbeitsutensilien in die Ecke, denn goddamn, es ist Wochenende! Wir schmeißen uns beherzt auf die Couch und denken über den kommenden Abend nach. Party! Hm. Déjà-Vu. Wie letzte Woche. War doch eigentlich ganz nett. Wird es heute bestimmt auch. Hm. Hoffentlich geht das diese Woche nicht wieder so schnell rum wie das letzte Mal. In 2 Tagen ist schon wieder alles vorbei. Und eigentlich können wir die Partys gar nicht mehr auseinanderhalten. Nichts unterscheidet die eine von der anderen. Jedenfalls nichts von
Bedeutung. Frustrierend.

Wir sitzen im Bus auf dem Weg in die Stadt, es ist ein sonniger Nachmittag und die Sonne steht schief und sieht orange aus. Schön, denken wir uns, es wird Sommer. Dieser Sommer wird sicherlich schön, bestimmt okay. Wir beschließen, den Sommer dazu zu zwingen, okay zu werden. Wenn nicht, gibt’s aufs Maul. Wir schauen weiter aus dem Fenster und sehen alle möglichen Menschen, die beschäftigt aussehen. Haben bestimmt alle ein viel erfüllteres Leben wie wir, diese Hurensöhne. Obwohl, eigentlich sehen die genauso frustriert aus, wie wir uns fühlen. Jeden Tag derselbe Mist, es geht weiter, aber führt nirgendwo hin. So geht das doch ein Leben lang. Scheißwelt.

Da drüben, in einem Vorgarten, sehen wir zwei Kinder. Sie spielen mit einem ferngesteuerten Auto. Die sehen gar nicht frustriert aus. Wir finden ferngesteuerte Autos frustrierend, wenn wir drüber nachdenken. Das Auto ist wie wir: macht einfach, was man ihm sagt, weil es nicht weiß, was es sonst tun soll. Und spannend ist das auch nicht, wenn ein Spielzeug auf eine Fernbedienung reagiert. Nach 2 Minuten langweilig. Frustrierend.

Aber die Kinder, die sind nicht frustriert. Wirkt fast so, als wär dieses Auto der heilige Gral. Die schlagen sich ja gleich drum, wer die blöde Fernbedienung haben kann, denken wir uns. Wir fragen uns, ob sie auch keynesianische Wirtschaftstheorien spannend finden würden, wenn sie in der Lage wären, sie zu verstehen. Wahrscheinlich schon.

Der nächste Beitrag wird voraussichtlich am 23. März folgen und sich mit einem dieser drei Themen befassen: