Da war doch mal was

27.02.11

Kennt ihr diese Episoden von irgendwann aus eurem Leben, die euch auch nach Monaten oder Jahren noch nicht losgelassen haben? Ich meine nicht unbedingt, dass euch jeden Tag verfolgen, in jeder Sekunde präsent sind und euch das Leben zur Hölle machen, sondern Dinge, die einem immer mal wieder kurz einfallen, ehe sie dorthin verschwinden, wo sie herkamen und auf den nächsten Moment der Erscheinung warten.

Es ist eventuell Herbst, vor allem aber grau und trist, während der Regen in der Luft hängt. Ich sitze auf einer Schaukel im Kindergarten, als irgendwer mich schubst, ich von der Schaukel falle und anfange zu weinen.

Ich laufe eine Einfahrt runter, verliere das Gleichgewicht, fall auf meine Knie und auf einmal ist alles voller Blut. Meine Eltern rennen zu mir, irgendwer bindet mir ein T-Shirt ums rechte Knie. Ich bettel nach Pommes mit Currywurst, die ich essen will, bevor ich sterbe. Meine Mama lacht ein wenig zittrig. Im Krankenhaus wird der kleine Stein aus meinem Knie entfernt. Die Narbe ist mindestens 8cm lang. Wäre ich ein Junge, könnte ich damit angeben.

Grundschule. Auf dem Schulhof verteilt tümmeln sich die Schüler. Irgendwo stehe ich mit meiner damals besten Freundin, als ein Junge sich vor uns aufbaut. Zumindest würde er sich aufbauen, wäre er nicht schon damals viel kleiner gewesen, als alle anderen. Er sagt irgendwas zu uns. Ich weiß nicht mehr, was es war, aber es brachte uns dazu, ihm hinterher zu rennen. Er war schnell, aber nicht schneller als wir. Als wir ihn hatten, gab meine damals beste Freundin ihm eine Ohrfeige. Eine von diesen Ohrfeigen, die den Kopf des Getroffenen nach hinten fliegen lassen und bei denen ein Handabdruck auf der Wange zurückbleibt, der erst ganz weiß ist, ehe er leuchtend rot wird.

Wir sind auf dem Heimweg, als wir unseren Erzfeind entdecken. Mark G. – hach, den werde ich nie vergessen. Er läuft einige Meter vor uns und obwohl er uns nichts getan hat – nicht in diesem Moment zumindest, aber sowohl davor, wie auch danach, gehörten wir zu seinen Lieblingsopfern – reimen wir ein kleines Singspiel ihm zu Ehren: Muttersöhnchen, Arschkanönchen. Sowas hat ihn immer fertig gemacht, wenn man seine Mutter mit ins Spiel brachte und für etwas anderes waren wir ohnehin nicht kreativ genug.

Jenny und ich fahren Inliner, irgendwo hinten zwischen den Häusern. Wir streiten ein wenig, weil ich gestern was mit einer anderen Freundin machte und sie nicht mit einlud. Ich sehe den Pflasterstein vor mir nicht, der etwas weiter aus dem Boden herausragt als die anderen Steine. Arm gebrochen.

Ein Streit mit meinen Eltern, weil die Grundschullehrerin ihre Empfehlung für das Gymnasium aussprach, meine damals beste Freundin aber nur auf die Realschule sollte. Ich setze mich durch, verzichte aufs Gymnasium und gehe mit ihr auf die Realschule. Dumme Idee.

Ein langhaariges, blondes Mädchen, das sich für Britney Spears hält, einen gutaussehenden Bruder namens Sam hat und Jahre später, als das World Trade Center einstürzt, am nächsten Tag in die Schule kam, um in der dritten Stunde kreischend zusammen zu brechen, weil ihr Bruder dort gewesen war und er sich noch nicht gemeldet hat. Ihre Mutter kommt sie abholen. Als der Direktor ihr sein Beileid ausspricht, schaut sie perplex: Sie hat keinen Sohn, der Sam heißt. Sie hat generell keine anderen Kinder.