Schweineschwänzchen und Königin

12.03.13

Die Katze liegt so nah an meiner Haut, dass ich nicht weiß, ob ihr oder mein Herz mir bis zum Hals schlägt. Und ich frage mich, ob sie sich das auch fragt. Ich entscheide, ihr von dem Tag zu erzählen, an dem ich klein und unbedeutend neben zwei Freundinnen die Treppe zum Pausenhof runter stürmte und seine quäkende Stimme mich aufhielt.

Er hatte diesen näselnden, froschigen Ton, der ihn zu Unrecht versnobt und arrogant hätte wirken lassen, wäre er es nicht tatsächlich gewesen. Seine Haare lagen in kleinen Locken um seinen Kopf und ringelten sich wie Schweineschwänzchen auf seiner runden Stirn. Das erkläre ich der Katze und frage mich kurz, ob sie das für den Anfang einer seltsamen Liebesgeschichte hält.

Die Katze schnurrt.

Die gesamte Grundschulzeit über schwebte die Hand der Klassenlehrerin griffbereit über seinem Nacken, aber er ließ sich nie genug zu Schulden kommen, als dass sie zugepackt hätte. Er nutzte jede Gelegenheit, um ein bisschen gemein zu werden und war clever genug, seine Tyrannei in kleinen Portionen zu verteilen, für die man nicht bestraft wurde.
Ich rannte mit den zwei Mädchen an meiner Seite die Treppe runter und ihre Haare flogen goldblond gelockt hinter ihnen her, nur meine blieben störrisch glatt. Der Schweineschwänzchen-Junge war nicht weit vor mir und sprach mit der Klassenkönigin[1. Perfekte Noten, perfekte Kleidung, perfekte Familie und jeder Junge wollte mit ihr Händchen halten. Sie war eines dieser Mädchen, das soweit über allem stand, dass ich heute nicht mehr sicher weiß, ob sie überhaupt je jemanden bemerkte, der nicht sie selbst war.] und als sich beide zu mir umwandten, wusste ich, er hatte wieder eine Portion Gemeinheit verteilt, die mir galt. Die Klassenkönigin lachte. Der Schweineschwänzchen-Junge sagte, er habe die Königin nur informiert, dass ich auch gerne Locken hätte, damit ich so schön sein kann wie sie, aber selbst mit Locken wäre ich noch zu dick. Danach kräuselten sich seine Lippen zu einem abwartenden Lächeln: Hat’s weh getan? Ja. Hat es. Ich weiß nicht, woher er die Wahrheit kannte, aber ich weiß, dass ich nie wollte, dass die Königin sie kennt.

Abwartend sehe ich die Katze an.

Sie schnurrt.

Ich seufze.