1. Gastbeitrag: Mobbing

20.01.10

An dieser Stelle folgt, wie bereits vor einiger Zeit angekündigt, der erste Gastbeitrag aus der Blog-Reihe: „Ich sehe was, was du nicht siehst„. Geschrieben, gedacht, gesehen von Dominik, dessen Blog Tangentenuniversum ihr jederzeit besuchen könnt, wenn ihr mehr von ihm lesen wollt.

Wer behauptet eigentlich immer, dass die Uni-Zeit die schönste Zeit in meinem Leben sein muss. Anscheinend war ich an den schönen Tagen nicht an der Uni oder es gibt nur schöne Tage, wenn ich nicht da bin. Vielleicht feiert man ja meine Abwesenheit und man nennt das die schönen Tage. Es gibt derzeit nichts anderes, was mich so dermaßen ankotzt, wie die Uni. Ach nein, Moment, es sind meine Kommilitonen. Stopp, nein. Das stimmt so nicht. Es ist unsere Fachschaft.

Ich frage mich manchmal, ob es den Genforschern gelungen ist, Neandertaler zu klonen und diese als Chemiestudenten zu tarnen und dann in dem undurchdringlichen System der bürokratischen Tiefe unsere Studienvertretung zu infiltrieren. Nein, ich glaube so etwas kann ich nicht sagen, das ist politisch nicht korrekt. Die Neandertaler wären mit Sicherheit in der Lage gewesen, weniger Schaden anzurichten, indem sie einfach die Couch und den Computer zerstört hätten, weil sie diese als böse Wesen ansahen. Unsere studentischen Vorreiter haben es tatsächlich geschafft, einen Professor so zu verärgern, dass er maximal 8 Studis in ein Praktikum aufnimmt, das jedoch maßgebend für das Erlangen der Bachelorarbeit ist. Wird man nicht zu diesem Praktikum zugelassen, darf man genau ein Jahr warten, ergo: 2 Semester Zeitverlust. Wie blöd ist es da, das die Hürde eine Klausur ist, die 30 Leute mitschreiben und davon nur 8 bestehen können, weil ja nur 8 zugelassen werden. Wo liegt also in unserem Fall die Gerechtigkeit? Wer kommt für den Schaden auf? Es tut mir ja schrecklich Leid, aber ich bin leider nicht mit der Art von Intelligenz gesegnet, dass ich mit Sicherheit sagen kann, dass ich unter den besten 8 der Klausur sein werde. Vielleicht mit Glück und viel lernen, doch das werden sich die anderen 29 mit Sicherheit auch denken.

Wie kann jemand also sagen, dass Uni schön ist. Ich bin Chemiker, ok, ich bin kein normaler Student und ich verbringe ca. 10 Stunden am Tag an der dämlichen Uni und darf danach noch Protokolle schreiben. Sitzscheine kenne ich nur vom Hörensagen und eine Hausarbeit über 20 Seiten? Sowas müssen wir nun einmal in einer Woche schreiben und wenn wir Glück haben, vielleicht sogar noch eine mit 40 Seiten. Natürlich höre ich dann von außen, von anderen, warum ich mir so eine schwere Studienrichtung ausgesucht habe. Im Grunde ist der Studiengang nicht sooo schwer, wie viele glauben. Wenn man sich mit 2-5 Leuten mal zusammen rafft und zusammen ackert, kann man durchaus ohne große Probleme durch das Studium kommen.

Doch nirgends, in meinem ganzen Leben, habe ich so viel Ignoranz, Egoismus und Intoleranz gesehen, wie in unserem Studiengang. Die „Grüppchenbildung“ oder auch Cliquen-Gemeinschaft ist genauso wie in der Schule ausgeprägt, wenn nicht sogar noch schlimmer. Die eine Gruppe will der anderen Gruppe nicht helfen, weil die doof ist. Halllooooo? Wo leben wir hier eigentlich? In welchem martialisch unterbelichteten Gehirn wurde die Theorie geboren, dass Menschen erwachsen werden. Versucht man, sich nicht in eine der Gruppen zwängen zu lassen, so bleibt man in allen Gruppen außen vor und man hat gar keine Chance mehr, von irgendwoher Hilfe zu bekommen. Freundet man sich langsam aber allmählich mit jemandem an, der ebenfalls nicht in einer „bestimmten“ Gruppe ist, so bekommt man zu hören, wie schade die Entscheidung doch wäre, aber man mit den Konsequenzen leben müsse, und zwar Auschluss aus der Gruppe. Wie schön, dass ich noch nie in einer Gruppe war und trotzdem aus ihr ausgeschlossen werden kann.

Ich lebe also in einer Welt, die mich nicht will. Ich habe Freunde, die ich nicht haben darf, wenn ich weiterkommen will und ich werde für etwas bestraft, was jemand anderes getan hat. Die geistige Engstirnigkeit einiger Kommilitonen treibt mir das Adrenalin in den Körper. Ich lebe ständig mit der Gefahr, verraten zu werden, für etwas, das ich nie getan habe. Ständig lebe ich mit der Angst, dass ich einen Kurs nicht schaffen kann, weil ich in keiner Gruppe bin. Weil ich nicht die nötigen Quellen habe, um an alte Klausuren oder Übungen ranzukommen. Natürlich sind die Klausuren total einfach, wenn man 10 Stück zum Üben gehabt hat.

Nein, das ist schon lange kein Mobbing mehr. Das ist Krieg, das ist ein reiner Psychokrieg und schon bald wird es die ersten Opfer geben. Natürlich kann man die Tatwaffe nicht finden, die steckt unsichtbar im Herzen des Opfers. Offensichtlich hat der Strick am Hals den Tod herbeigeführt. Ein Wieso gibt es nicht. Das Herz blutet Tränen. Tränen voller Trauer und Schmerz, die niemand sieht. Die niemand wegwischt. Sie tropfen auf den Boden und keiner sieht sie. Fotos werden gemacht und der Totenschein ausgefüllt. Die Seele schreit, sie will erkannt werden. Doch muss sie erkennen, dass sie in keiner Gruppe ist. So bleibt ihr nur der Weg nach oben. Doch halt: Es geht bergab. Todsünden mit ewiger Hölle. Das Ergebnis für eine Entlastung, eine Flucht, ist ewiger Schmerz. Bleibt also der Kampf. Der Psychokrieg geht weiter. Er wird immer weiter gehen, solange es Gruppen gibt. Schule, Uni, Job. Wo Menschen sind, ist Krieg. Auch wenn er nicht mit Waffen ausgefochten wird, so ist er heute tödlicher als je zuvor.

Ich möchte hiermit bekunden, dass ich nicht vorhabe, mir in irgendeiner Weise etwas anzutun. Dieser Artikel ist aus Gedanken und Gesprächen entstanden und soll auf die Konflikte aufmerksam machen und nicht zu Suizid verführen.

Der nächste Beitrag wird voraussichtlich am 24. Januar folgen und sich mit einem dieser drei Themen befassen: