9. Gastbeitrag: Erste Male

21.02.10

An dieser Stelle folgt der neunte Gastbeitrag, der eigentlich gar keiner ist, aus der Blog-Reihe: „Ich sehe was, was du nicht siehst„. Geschrieben, gedacht, gesehen von ichgehschlafen, auf dessen Blog aHeadwork ihr euch gerade befindet.


Ich gehöre zu der Sorte Mensch, deren Selbstbewusstsein sich stark an Erfahrungswerten und der Fettnäpfchen-Quote orientiert. Es kann also sein, dass ich beim D.I.Y.-Sushi spontan den Platz räume, wenn ich nicht auf Anhieb formvollende Reisröllchen hinbekomme, die man auch in Restaurants servieren und 5,50€ das Stück verlangen könnte. Dann stehe ich in irgendeiner Ecke des Zimmers und blicke komplett überfordert in die Runde und schaue z.B. Frau J. dabei zu, wie sie ebenfalls komplett versagt, aber dann noch etwas mehr Seetang nimmt und die Röllchen dicker formt. Ich mein Hallo? Dann stelle ich mit dem Kopf an die Wand, mit der Umwelt völlig uneins, und beginne die großen Fragen der Menschheit im Fast Forward-Modus abzuhaken.

Was kann ich wissen über das Rollen von Sushis, wenn ich es nie zuvor gesehen habe? Nichts. Hat mir ja keiner gesagt, dass ich aufpassen muss, nicht zuviel Reis zu benutzen, weil es dann am Ende schwerer ist, alles schön und ohne platzenden Seetang hinzukriegen. Man hätte ja ruhig mehr Zeit investieren können, als man sich für das Erfinden von Sushis entschieden hat. Rot markierte Bereiche zum Beispiel, die mir signalisieren, dass hier die absolute Grenze ist und meine Entscheidung, Reis über diese vom Menschen gezogene Markierung zu zu legen, mit der Vorhersagbarkeit von Naturgesetzen fatale Konsequenzen nach sich ziehen wird. Was soll ich tun? Na ja, Rollen und fleißig bei den Sitznachbarn spicken und schauen, wie die anderen vollkommen unbedarft und willkürlich gewählte Mengen an Reispampe und Gürkchen verwenden. Was darf ich hoffen? Hier liegt der Hund begraben. Ich erwarte von mir, dass ich auf Anhieb im Godmode starte. Perfektion per Muttermilchaufnahme, Alphagene. Nach Vollendung der ersten Sushi-Rolle müsste rein theoretisch ein göttliches Spotlight aus dem Off erscheinen, um mich und meine an Fingerfertigkeit nur schwerlich zu übertreffenden (vegetarischen) Sushi-Kreationen ins passende Licht zu rücken. Sollte ich also jemals tatsächlich auf Anhieb für das Auge an Appetitlichkeit nicht zu übertreffende Sushis hinkriegen und Gott sorgt nicht binnen Millisekunden für die passende visuelle Unterstützung, dann wäre ich wahrscheinlich ernsthaft beleidigt und würde nur noch in Notfallsituationen Stoßgebete gen Himmel richten. Was ist der Mensch? Keine Ahnung, da hat Kant aber eine dumme Abschlussfrage gestellt, keine Ahnung von moderner Dramaturgie der alte Penibelist, aber ich kann das immerhin auf mich münzen und sagen, was ich bin, wenn es um erste Male geht und ich schon mal ganz gerne meine Hände mit den Füßen verwechsel. Ein Soziopath, der die Augen der gesamten Menschheit auf sich spürt und deswegen voller Sorgfalt von einem ins nächste Fettnäpfchen tritt und am Ende zwar verschämt ist, aber nichtsdestotrotz freudvolle Respektbekundungen einfordert.

Wie der Coyote, der dem Roadrunner hinterhetzt und sich plötzlich mitten im Nichts, 200 Meter über einen Abgrund wiederfindet. Der Trick ist, nicht nach unten zu schauen. Dann erreicht man auch die gegenüberliegende Seite. Aber Labersack sein, das ist das große Vorrecht der Theorie: In der Praxis bin ich stumm und finde mich meist mit dem Kopf vor der Wand wieder. „Gegen die Wand, Schädel gerammt, blute mich durch“.

Der nächste Beitrag wird voraussichtlich am 25. Februar folgen und sich mit einem dieser drei Themen befassen: