5:23

05.03.10

Leise Schritte, vielleicht ein verächtlicher Blick, der ungesehen bleibt, weil das Haus in tiefem Schlaf versunken ist. Es ist eines dieser Häuser, denen man schon von außen ansieht, dass in ihnen eine perfekte Familie lebt – Vater, Mutter, Sohn, Tochter – aber das ist jetzt nicht wichtig.
Die Schritte verschwinden in die Richtung, aus der sie kamen. Niemand wacht auf. Erst als die erste Flamme bereits an der Decke des unteren Stockwerkes leckt, wird das Feuer vom Ersten bemerkt – perfekte Familien wecken sich auf. Nacheinander verlassen sie das Haus, keiner wird verletzt und frierend, verängstigt und verständnislos stehen sie vor ihrer Perfektheit.

Zeitsprung.
Das Feuer brennt inzwischen lichterloh, die Tochter klingelt an der Tür der Nachbarn. Sie greifen über, die Flammen. Innerhalb von Sekunden brennt der Dachstuhl des Nachbarhauses, noch während die Frau ihre Tür öffnet und verschlafen in die kalte Nacht hinaus blinzelt. Sie will hoch. Hoch in ihr Haus, hoch in das Feuer, hoch zu ihrem Besitz, doch die Tochter hindert sie daran. Jetzt steht sie mit in der Kälte.

Zeitsprung.
Hinter dem sich wölbenden Glas ihrer geschlossenen Haustür tanzen die orangegelben Feuerteufel. Die Frau läuft darauf zu, sieht sich hilfesuchend um – sie will die Tür öffnen und keiner weiß, warum. Der Vater eilt ihr zur Hilfe, seine Hand berührt kurz den Türknopf – zu heiß, doch er hat Schutzhandschuhe dabei. Den Schutz drappiert, greift er erneut nach dem Knopf. Ich sehe, wie er sich langsam dreht, während das Feuer dahinter hungrig hochschlägt. Ein Nein formt sich in meiner Kehle, findet viel zu langsam seinen Weg in meinen Mund, wie in Zeitlupe versucht meine Zunge, es hinauszustoßen.
Die Tür öffnet sich. Das Feuer, die Flammen, die Hitze jagen hinaus, verbrennen meinen Ruf, noch ehe er gehört wurde. Verbrennen ihn von meinen Lippen weg, während die waagerechte Feuersäule sie verschlingt, mich verschlingt, alle verschlingt.

5 Uhr 23. Ich bin wach, meine Nacht ist beendet. Blass sitze ich am Fenster und starre auf die in die Dunkelheit liegenden Häuser. Der helle Mond wirft Licht auf die Fenster, das sich in ihnen spiegelt. Wie Flammen, die mir spöttisch zuwinken.