21. Gastbeitrag: Nudelsalat

20.04.10

An dieser Stelle folgt der 21. Gastbeitrag aus der Blog-Reihe: „Ich sehe was, was du nicht siehst„. Geschrieben, gedacht, gesehen von Looka, dessen Blog Looka.at ihr jederzeit besuchen könnt, wenn ihr mehr von ihm lesen wollt.


Die Worte, die ich nicht hatte
Sonntagnachmittag. Spätsommer. Ich sitze mit Freunden auf der Dachterasse, trinke kühle Limonade und erinnere mich an vergangene Tage. Es hat sich vieles geändert in meinem Leben. Begonnen hat es damit, das ich geflüchtet bin. Erst von der Einsamkeit, dann von der Perspektivenlosigkeit bis hin zu den Menschen. Das Internet als ständiger Begleiter, lose Bekanntschaften als Grundfesten meiner Welt. Nächtelang habe ich vor dem Computer verbracht und Personen von denen ich nur einen vagen Namen hatte Geschichten erzählt. Von mir. Von meinen Gedanken. Von einer Welt, wie sie sein hätte können. Ich habe sie unterhalten und mich dabei selbst kennen gelernt. Noch lange bevor ich begonnen habe die Geschichten einer unüberschaubaren Menge vor die Füße zu werfen.

Mayonnaise mochte meine Mutter nicht. Wegen den rohen Eiern. Und fett ist sie auch. Sie hatte überhaupt viele Dinge, vor denen sie uns zu schützen müssen glaubte. Was in vielen Fällen gut war. Glaube ich zumindest heute. Jedoch ist es schwer Nudelsalat ohne diesem weißen Zeug schmackhaft zu machen. Weshalb wir zum grillen immer Kartoffelsalat hatten. In zahlreichen Variationen. Die Kartoffeln dafür konnte ich selbst vom Feld vor unserem Haus holen.

Das Idealbild eines kaputten Jugendlichen. Ich weiß nicht, wie viele es gab, denen es ähnlich ging. Probleme mit der Welt hat jeder. Scheiß Schule, scheiß Eltern, scheiß Freunde. Selbstzweifel, der Wunsch nach Kontrollverlust. Ich habe mit den Menschen gespielt. Sie immer näher an mich gezogen bevor ich sie fallen lies. Es tut mir Leid, du bist dumm. Ich hatte meinen Spaß mit dir, aber bis hierher und nicht weiter. Denk darüber nach. Ändere dein Leben. Du bist besser als das. Vertraue niemanden. Arschloch. Ich war ein gefallener Schatten.

Als ich das erste Mal Nudelsalat aß war ich verwirrt. Nudeln kannte ich eigentlich nur warm mit Tomatensauce. Carbonara oder ähnliches war mir fremd. Weil ich heikel war. Gut behütet. Da stand die Schüssel vor mir. Sah aus wie Nudeln, roch nicht so. Auch waren sie mit einer weißen Soße, wie ich sie nicht kannte. Skeptisch habe ich einen kleinen Schöpfer auf meinen Teller geleert und bin zurück zum Tisch. Die Leute um mich waren heiter. Sie tranken Bier und lachten. Ich war noch viel zu jung dafür, vielleicht ein bisschen Schaum bei meinem Vater. Aber Bier schmeckte sowieso eklig. Tut es heute noch manchmal. Der Nudelsalat war komisch. Ich mochte ihn nicht. Aber man konnte gut die Würstchen darin abkühlen und dann schmeckten sie noch leckerer. Als Beilage blieb ich jedoch beim Kartoffelsalat.

Ein verzerrtes Selbstbild, das mich begleitet. Der Wunsch anders zu sein und durch den Gedanken daran sich verändern. Ich wusste nicht, was mit mir passierte und ich weiß es heute nicht. Es fällt mir schwer zu sagen, dass ich keine gefestigte Persönlichkeit habe, weil es nicht stimmt. Ich glaube, dass alle Menschen sehr fragil sind. Es gibt bestimmte Dinge, die sie zerbrechen können. Die Mauer einreißen und dann stehe sie nackt vor uns. Wimmernd oder jauchzend. Man weiß es nicht. Man ist, wie man sein will. Viele Gefühle sind eine Entscheidung. Und sei es nur der Wunsch danach und somit passive Einstellung.

Heute gehört Nudelsalat zu einem meiner Lieblingsgericht. Die ideale Beilage wenn es warm ist. Ich schlage mir damit den Bauch voll bis es weh tut. Rege mich dann über mich selbst auf, weil ich es wieder nicht geschafft habe, auf mich zu hören. Essen macht glücklich. Manchmal. In der richtigen Gesellschaft.

Wir sind was wir erlebt haben. Ob in deren Welt oder in der eigenen macht keinen Unterschied.

Der nächste Beitrag wird voraussichtlich am 27. April folgen und sich mit einem dieser drei Themen befassen: