26. Gastbeitrag: Welle

01.06.10

An dieser Stelle folgt der dritte Gastbeitrag aus der Blog-Reihe: „Ich sehe was, was du nicht siehst„. Geschrieben, gedacht, gesehen von localwurst, deren Blog localwurst ihr jederzeit besuchen könnt, wenn ihr mehr von ihr lesen wollt.



(Via)

Welle, Ultrakurz-

»Was war zuerst da — der Kummer oder die Musik? […] Hab‘ ich damals Popmusik gehört, weil ich mies drauf war — oder war ich damals mies drauf, weil ich Popmusik hörte?«

Mit dieser Frage beginnt der Film High Fidelity, und das ist eine Frage, die ich mir in den vergangenen Wochen, in denen mein Radiokonsum deutlich gestiegen ist, selbst ein ums andere Mal gestellt habe. Der nörgelige Moderator verliest mit Grabesstimme die Wettervorhersage für die Großregion: Temperaturen und Regengüsse, die selbst für einen schlechten April einen zu kalten März bedeuten würden, doch wir haben Mai. Es folgen »drei weitere Kulthits am Stück«.

Der erste Titel beginnt mit den Textzeilen »This is the end… you know…«. Das ist traurig. Irgendwie hatte ich den Begriff »Kulthit« spontan als positiv belegt aufgefaßt. Der nächste Titel: »Mothers crying in the street… children dying at their feet…« — sicherlich zum Nachdenken anregend. Und sicher auch ein Kulthit. Eine Frauenstimme macht die Runde erst wirklich rund: »Look my eyes are just holograms«, baritonale Stimmlage, aber ja: es ist eine Frau. Ich wische mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.

Radio ist deprimierend. Man schaltet den Kasten an, um die Stimmen im eigenen Kopf zu übertönen, und was hört man? Nichts als Gejammer. Dabei liegt es nicht daran, daß es keine fröhliche Musik gäbe — es gibt sie, es spielt sie bloß keiner. Wollen die Stationen dem Ruf gerecht werden, den die Medien so wortreich von uns zeichnen — eine Gesellschaft am Rande, nachdenklich, ernst, ängstlich, von Versagens- und Verlustängsten geplagt? Und selbst wenn wir alle so sind: sollte das Radioprogramm uns dann nicht aufmuntern, uns Auftrieb geben, uns ablenken und motivieren?

Auch die deutschen Acts bestechen aktuell gerade nicht durch das Verbreiten von Frohsinn oder gar Übermut: bei den »drei deutschen am Stück« geben sich die Seufzer nur so die Hand. Den Reigen eröffnet eine träge weibliche Stimme, die jeden Satz mit »Warum fühlt es sich so leeeeeer an…?« beginnt, der zweite Titel wiederholt im Refrain die Textzeile »Es tobt der Hamster… vor meinem Fenster…« (vielleicht verhöre ich mich hier aber auch nur reproduzierbar); und während mein erloschener Blick nach einem stabilen Deckenhaken sucht, betont wiederholt eine zittrige, doch eindeutig männliche Stimme die Frage »Wo willst Du hin?«

Nehmen wir Queen: diese Band hat sich in nahezu allen Autos in Form von Best-Of-Cassetten materialisiert, doch der Sender kennt nur ein einziges Lied (und spielt dieses mit einer gewissen abartigen Konsequenz seit vier Wochen jeden Abend gegen 19h21): »The show must go on«. Ist es wirklich das, was wir hören wollen? Ständig diese »Bemitleide-mich-doch-endlich-mal-einer« und »Das-ganze-Leben-ist-scheiße«-Mentalität?

Unterbrochen wird das ohnehin sehr fragwürdige Programm durch die immer selben Nachrichten, deren Sendezeit die drei Minuten niemals übersteigt und die aus 10% ansatzweise nützlicher Information, 40% Sport und 50% absolut irrelevanten Schwachsinns bestehen. Daran schließt sich der nächste Wetterbericht an, anschließend der Verkehrsfunk, und beide werden »präsentiert von –«… irgendeiner lokalen Einrichtung, deren Name derart oft wiederholt wird, daß sie einem verdammt schnell verdammt weit zum Halse heraushängt. Was bei Radio Luxemburg das »Lederland St. Vith« ist, ist bei der Saarlandwelle »CARGLASS«. Hin und wieder abgelöst durch diesen unsäglichen »Bratmaxe«-Song, der von einem Gör auf penetrante Art geplärrt wird und mich dazu bewegt, niemals, aber auch wirklich niemals auch nur einen einzigen Artikel von Meica zu kaufen.

Nein, nein, nein. Nicht runterziehen lassen. Nicht alles ist schlecht. Deshalb meine Frage an Euch: Ihr seid Radiomoderator, und Ihr sollt ein fröhliches und motivierendes Programm zusammenstellen, vielleicht etwas verrückt und durchgeknallt, doch auf keinen Fall eintönig. Welche fünf Titel dürfen auf Eurer Playlist keinesfalls fehlen?

Und ich sage:

  1. Apollo 100 — Joy (1972)
  2. Frank Mills — Music Box Dancer (1974)
  3. Kaoma – Lambada (1989)
  4. Die Ärzte — Meine Ex(plodierte Freundin) (1995)
  5. Wise Guys — Jetzt ist Sommer (2001)

Der nächste Beitrag wird voraussichtlich bald folgen und sich mit einem dieser drei Themen befassen: