Meine Oma

27.06.10

Ausnahmsweise mal ein Gastbeitrag ganz außerhalb der „Ich sehe was, was du nicht siehst“-Reihe und zwar *Trommelwirbel* von meiner Mama. Die wird nämlich jetzt auch ganz Web 2.0-ig.

(Via)

Fast alle Erinnerungen an meine Oma sind verbunden mit einem warmen,  weichen Gefühl, ähnlich dem eines Embryos, gut aufgehoben im sicheren Mutterleib.

Oma war eine kleine, dicke Frau, die mir eine wunderschöne Kindheit schenkte, an die ich mich heute noch, nach mehr als fünfzig Jahren, gerne und mit Wehmut zurück erinnere. Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen war die Küchenschublade in der Küche meiner Großmutter. Oma hatte keine Einbauküche, sondern eine Küche mit bunt zusammen gewürfelten Möbeln, einen alten Küchenschrank aus schwerem, dunklem Eichenholz, einen Resopal-Tisch aus den 60er-Jahren und der dazu passenden Küchenbank. Kein Möbelstück passte zum anderen – schon gar nicht der riesige Herd, der noch mit Holz befeuert wurde -, aber in der Küche war es immer urgemütlich.

Öffnete man die Türen des alten Schrankes, befand sich dahinter eine große Schublade, gefüllt mit den herrlichsten Gewürzen, natürlich unsortiert. Denn Oma hatte in ihren Schränken keine bestimmte Ordnung.

Öffnete ich diese Schublade, träumte ich von fernen Ländern, von Indien oder Marokko mit seinen traumhaften Gewürzbazaren. Beide Länder waren mir zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt, aber immer war ich die schöne Prinzessin, die von dem gut aussenden indischen Prinzen geraubt wurde. Niemals konnte mir etwas passieren, Oma war ja da.

Es roch nach Zimt und Vanillezucker, der gebraucht wurde, um die leckersten Apfelküchlein damit zu bestreuen.

Es gab Anis, Nelken und Bittermandelöl. Wurden diese Gewürze aus der Schublade genommen, war Weihnachten nicht mehr weit. Pfundweise wurde Plätzchen- und Lebkuchenteig auf der Tischplatte aus Resopal ausgerollt, mit dem alten Nudelholz, welches sich heute noch in meinem Besitz befindet. Und immer war mir schlecht, weil der Teig so lecker schmeckte.

Noch heute erinnere ich mich sofort an diese Küchenschublade, sobald eines dieser Gewürze in meine Nase steigt und die Gedanken an Oma werden intensiver. Noch heute empfinde ich dieses warme, weiche Gefühl, verbunden mit so viel Liebe und Geborgenheit.

Eines Tages war sie nicht mehr bei mir, meine Oma. Weg gegangen ohne Abschied, in ein fremdes Land. Ich sah sie nicht wieder, sie ist dort gestorben. Aber die Düfte, die Gewürze, die warmen Gefühle hat sie hier gelassen, in meiner Erinnerung, in meinem Herzen.