Et kütt, wie et kütt.

30.07.10

The night started to fall …

Das Wissen, das es vorbei ist, brennt sich immer tiefer in mein Herz. Aber weiß ich mit 22 überhaupt, was es heißt, wenn etwas zu Ende ist? In der letzten Woche stieß ich immer öfter an meine Grenzen, auferlegt durch mein Alter. Ich bin zu jung, um gewisse Dinge zu verstehen. Ich bin zu jung, um Hintergründe zu beachten und meine Handlungen danach auszurichten. Ich bin zu jung, um zu wissen, wann man lieber seinen Mund hält und viel deutlicher wird auch stetig, dass ich nicht angepasst bin.

Es ist seltsam, aber mit 15 erlaubte ich mir all meine Ausfälle noch und rechtfertigte sie damit, dass ich halt anders und nicht angepasst sei, aber inzwischen habe ich ein Alter erreicht, in dem sich das einfach nicht mehr in Ordnung anfühlt. Ich kann nicht mehr tun und lassen, ich muss Verantwortung übernehmen. Verantwortung für mich selbst.

Bevor mein Vater starb, ruhte ich mich auf meinem kleinen, putzigen und mit Rüschen verzierten rosafarbenen Kissen aus, freute mich, wenn er stolz auf mich war und behielt im Hinterkopf, dass er auch dann noch stolz sein würde, wenn einmal etwas nicht klappen sollte. Ich hatte immer die Gewissheit, dass er schon da sein würde, wenn irgendein Problem auftauchen würde. Als ich in der 7ten Klasse war, war da dieses Mädchen, mit dem ich eigentlich befreundet war, aber wie wir ja alle wissen, ist man in dem Alter mit jedem nur „eigentlich befreundet“ und nicht wirklich befreundet. Wie so viele andere auch wurde ich zum Mobbingopfer, aber nur für zwei Tage, denn während andere glauben, sie müssten schweigen, rannte ich zu meinem Vater. Am nächsten Tag stand er auf dem Schulhof – groß, breit, bärtig – und wartete auf das Mädchen, das mich mobbte. Als sie kam, baute er sich vor ihr auf und fragte ganz höflich, was sie sich eigentlich denke. Zumindest ich erkannte, dass er höflich fragte, aber für ein etwa 1,60m kleines, zierliches Mädchen hörte er sich wohl nicht höflich an. Innerhalb von Sekunden war sie ein weinendes Häuflein Elend, entschuldigte sich millionenfach und sagte, dass sie das nie wieder tun würde (woran sie sich hielt) und ich war erleichtert.

Ich war erleichtert, weil mein Vater mich – mal wieder – gerettet hatte. Aber das ist nun vorbei und wenn ich mir überlege, dass ich nun 22 Jahre alt bin, frage ich mich ernsthaft: Wie kann es sein, dass es erst jetzt vorbei ist? Schon viel früher hätte ich Verantwortung für mich selbst übernehmen müssen, aber erst jetzt bin ich wirklich dazu gezwungen und ja, ich habe Angst davor. Natürlich habe ich Angst, wie sollte ich auch keine haben? Aber die Schritte, die ich nun gehen werde, hätte ich ohnehin irgendwann gehen müssen – das einzige, was mir fehlt, ist das Sicherheitsnetz unter meinem Hochseil, das mein Vater stets für mich spannte.

Mein plüschiges, rüschiges, rosafarbenes Kissen sieht auf einmal abgewetzt und alt aus, lädt nicht mehr zum Ausruhen ein und ermahnt mich, dass ich für mich einstehen muss. Alleine. Und das werde ich, weil ich weiß, dass mein Vater stolz auf mich ist – was auch immer ich tue, denn, wie er stets zu betonen liebte: Et kütt, wie et kütt.[1. Das ist eine Redewendung aus dem Rheinland – Es kommt, wie es kommt.]

… but the day hasn’t come yet.