Hakan: Kindheitserinnerung

27.12.10

Eine winzige neue Gastbeitragsreihe steht uns ins Haus, während die alte keineswegs beendet ist, sondern nur ein wenig lustlos vor sich hin faulenzt und darauf wartet, dass etwas geschieht. Verschiedene Schreiber werden euch hier nach und nach ein paar Kindheitserinnerungen spenden. Falls ihr ebenfalls eine Kindheitserinnerung habt, die ihr hier veröffentlichen wollt, schickt sie mir an HannahKraus@gmx.de und wenn sie mir gefällt, wird sie gepostet.

Die nächste Erinnerung stammt von Hakan, den ich über alles liebe und seit 10 Jahren in meinem Köpfchen idealisiere, weswegen er natürlich perfekt ist. Das Gegenstück zu dieser Erinnerung findet ihr übrigens auf seinem Blog.

Da war also der Christoph, ein kleiner Grundschul-Engel. (Ich der Bengel.) Blaue Augen, blondes Haar, Zahnlücke. Er konnte lesen, bevor er eingeschult wurde und war auch ansonsten ein talentierter Jung-Mathematiker. Die Burger-King Krone für Rechenkönige haben wir uns immer geteilt, im Ping-Pong-Modus. Sportlich konnte er zwar nichts gegen Florian ausrichten, der lief die 50 Meter damals im 8.0 und hätte vermutlich den Schulrekord von 6.7 geknackt, wenn es ihn nicht dermaßen ungünstig von den Beinen gerissen hätte, dass sie ihm ein paar Schrauben in die Knie bohren mussten, zumindest hat er das gesagt, so genau hinterfragt man das ja nicht, aber Christoph war trotzdem ein begnadeter Fänger im Völkerball. Oft standen wir als Letzte in den eigenen Spielhälften und wichen den Bällen aus oder fingen sie und schleuderten sie möglichst in Bodennähe über den Platz, denn dann ist das Fangen unmöglich und außerdem muss der Spieler dann meistens springen, was eventuelle zur Folge haben könnte, dass er aus dem Gleichgewicht kommen könnte, auf alle Fälle hingegen verlangsamt es seine Reaktionsfähigkeit, sodass die bereits ausgeworfenen Spieler, die am Spielfeldrand standen, den Ball in Windeseile aufheben und den etwas unkoordinierten Spieler abwerfen konnten.

Während eines Fußballspiels, es ist die letzte Minute, es steht Unentschieden, das Spiel ist wichtig, warum, weiß ich nicht mehr, rollt der Ball zu mir, ich bin Verteidiger, also im eigenen Strafraum. Die berühmte „Im Strafraum immer nach außen spielen“-Regel kannte ich damals noch nicht, also lief ich direkt zu unserem Torwart, als Stürmer wäre es eine klassische 1 gegen 1-Situation gewesen. Aber anstatt den Ball nüchtern zurückzuspielen, entschied ich mich für ein kleines Kunststück und schoss den Ball links am Torwart vorbei, er stand auf der Grundlinie, rechts vorbei wäre also ein Eigentor gewesen, und sprang rechts ins Tor, lief gerade aus weiter, während der Keeper dem Ball hinterher hechtete, und wollte gerade zum Schuss ausholen, als ein gegnerischer Stürmer bereits zur Blutgrätsche ausgeholt und mit dem Ball sicher in unser Tor rutschte. Der Stürmer war Christoph.

Ich kann mich nur noch an „Du Arschloch“ und die weit aufgerissenen Münder meiner Teamkollegen erinnern. Und daran, dass ich angefangen habe zu heulen, um unserem Trainer, es war ein Klassenlehrer, vermute ich mal, heulend in die Arme zu springen.

Aber diesen drei Sekunden des Glücksgefühls, während des Kunststücks, jage ich nach. Auch heute noch.