Kirmes

03.01.11

Fremde Menschen drängen in Scharen an mir vorbei. Ihr leicht verschwitzter Geruch mischt sich mit dem der frischen Sommerbrise, die den Duft gebrannter Mandeln, warmen Popcorns und zu Fäden schmelzenden Zuckers mit sich trägt. Lachen erklingt von allen Seiten. Die Leute wirken ziellos; schlendern und spazieren im Nichts, doch mein Blick sucht den Platz ab. Dicht an dicht drängt sich Fahrgeschäft an Fahrgeschäft. Brüllende Achterbahnen, klimpernde Schießstände, dumpf trommelnde Dartbuden mit platzenden Luftballons. Das schrille und plötzliche Ploppen lässt mich jedes Mal leicht zusammen zucken. Ich werfe lieber daneben. Die anderen nicht.

Luftballons wabern über den Köpfen der Besucher, beschreiten ihre eigenen Wege, glänzen grell in der Sonne. Auf- und abwippende Gestalten aus Zeichentrickfilmen, gefangen in kleinen Händen, die gierig nach ihnen greifen, nur um sie zuhause an der Decke gefangen zu halten, wo sie schweben, schweben, zu Boden sinken und sterben.

Das Kettenkarussell zieht mich wie magisch an. Hellblau in das Metall gemalte Stoffimitationen, die unauffällig über das Rund fallen. Weiße Sitze, geflochten aus Korb, befestigt an Stahlketten, die nie mein Vertrauen gewinnen und mich doch nie abschrecken konnten.

(Via)

Meine schwitzigen Hände greifen nach den Ketten, der Sitz schmiegt sich leise knarzend an mich. Um mich herum lächelnde Gesichter, während mir meines gefriert. Der Sitz steigt sanft in die Höhe, meine Beine baumeln in der Luft. Mir wird kalt. Die Schuhe sitzen locker an meinen Füßen und hilflos krallen sich meine Zehen an ihnen fest. Wie immer sind meine Schnürsenkel offen. Wie immer bin ich mir sicher, meine Schuhe zu verlieren. Wie immer glaube ich, jede Sekunde abzustürzen. Hinausgeschleudert zu werden, mitten hinein in die lachenden Kirmesgesichter.

Als das Karussell wieder anhält, schiebe ich mich mit weichen Knien von meinem Sitz, schwöre mir, nie wieder auf Korbsesseln durch die Luft zu fliegen und freue mich insgeheim auf das nächste Mal, weil meine Sehnsucht größer sein wird, als meine Angst es sein könnte.