Lia: Kindheitserinnerung

11.02.11

Eine winzige neue Gastbeitragsreihe steht uns ins Haus, während die alte keineswegs beendet ist, sondern nur ein wenig lustlos vor sich hin faulenzt und darauf wartet, dass etwas geschieht. Verschiedene Schreiber werden euch hier nach und nach ein paar Kindheitserinnerungen spenden. Falls ihr ebenfalls eine Kindheitserinnerung habt, die ihr hier veröffentlichen wollt, schickt sie mir an HannahKraus@gmx.de und wenn sie mir gefällt, wird sie gepostet.

Die nächste Erinnerung schenkt uns Lia, der ich schon viel zu oft meine Liebe erklärt habe, sodass ich hier jetzt einfach schweige.

Kokosmähnenmädchen

Ich habe einen Haarfetisch. Nein, nicht diese Nummer mit der Badewanne und den geklauten Friseursalon-Abfällen (guckt Domian!). Viel mehr werde ich zu einer Mischung aus Sarah Dingens und Charlie Sheen, wenn keine Bürste in der Nähe ist.

Lasst mich das kurz erklären: Anders als die ordentlich zusammengebundene Vanille-Kokos-Cheerleader-Mähne (die auch nach einem Hurricane noch seidig sitzt) sieht meine Frise maximal 0,3 Sekunden nach dem Kämmen gepflegt aus. Besiegelt wurde dieses haarige Schicksal vor ungefähr achtzehn Jahren. Der Wecker schrillte und ich stolperte aus dem Etagenbett direkt in mein bestes T-Shirt, weil so ein erster Kindergarten-Tag nicht ohne ist. Ganz im Gegenteil: Mein vierjähriges Mini-Me hatte Hummeln im Arsch und stürmte ins Bad, um sich in aller Ruhe mit der Haarfrage zu beschäftigen.

Meine Premierenfrise sollte nämlich einfach nur so ausfallen wie, ähm, immer: Die überschulterlangen Strähnen wurden zu einem strengen Pferdeschwanz hochgebunden und mit diversen Schleifen als Zopfband perfektioniert. Dass diese ehrenvolle Aufgabe ausnahmsweise mein Dad übernehmen sollte, hielt ich für unproblematisch. Bis er begann. Und es kam, wie es kommen musste: Ich stand verheult, mit klopfenden Herzen und ganz und gar furchtbarkotzhässlichen offenen Haaren vor der Tür, die ich mich von meinem neuen Kindergartenfreunden trennte. Ein Styling-Supergau. Das Ergebnis: Ich schwor mir, meine Haare nie wieder offen zu tragen.

Und so war ich auf dem besten Weg, ein dauergepflegtes Kokosmähnenmädchen zu werden. Wäre da nicht mein sechsjähriger Cousin, der meiner kleinen Schwester ein paar Tage später mit der Küchenschere den Pferdeschwanz abschnitt. Sie lachte. Ich kreischte. Streichelte den rapunzellangen Zopf auf dem Boden und flennte, was das Zeug hielt. Dann schnappte ich mir alle Schleifenhaarbänder, die ich kriegen konnte, um sie rituell im Abfalleimer verschwinden zu lassen. Seitdem könnte mich nicht mal Jake Gyllenhall dazu bewegen, meine Haare kleinmädchenbrav zusammenzubinden (sicher ist sicher!). Also kämpfe ich seit Jahren. Mit einer wuscheligen Mähne, die nicht nach Vanille oder Kokos duftet und noch dazu nicht wirklich lockig, nicht wirklich glatt ist und eigentlich dauernd gekämmt werden müsste. Aber immerhin war sie nie kürzer als fünfundzwanzig Zentimeter.

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