Hannah: Kindheitserinnerung

18.02.11

Eine winzige neue Gastbeitragsreihe steht uns ins Haus, während die alte keineswegs beendet ist, sondern nur ein wenig lustlos vor sich hin faulenzt und darauf wartet, dass etwas geschieht. Verschiedene Schreiber werden euch hier nach und nach ein paar Kindheitserinnerungen spenden. Falls ihr ebenfalls eine Kindheitserinnerung habt, die ihr hier veröffentlichen wollt, schickt sie mir (samt Kinderfoto) an HannahKraus@gmx.de und wenn sie mir gefällt, wird sie gepostet.

Die nächste Erinnerung kommt von Hannah, die als @glaswelten auf Twitter unterwegs ist und oft so tolle Sachen schreibt, dass ich nur verblüfft lächelnd dasitzen und sie lesen kann. Danke!

Im Alter von sieben, vielleicht acht Jahren wurden ich und mein damals vier Jahre alter Bruder jeden Dienstag und Donnerstag, wenn unsere Eltern arbeiten mussten, zu meiner Oma im Nachbarort gebracht.
Eines Tages streikte das Auto, meine Mutter war bereits arbeiten und mein Vater entschied spontan uns einfach in den Bus zu setzen.
Ich war unglaublich stolz, dass ich die Verantwortung für Moritz übernehmen sollte und zum ersten Mal mit einem Bus zu fahren durfte. Natürlich musste ich auf alles gefasst sein und machte es mir zur Aufgabe uns auf dieses Ereignis angemessen vorzubereiten.

Ich packte eine Tasche voll mit Kuscheltieren, Flaschen und Zwieback, danach fing ich an meinen Bruder anzuziehen: Grüne Gummistiefel, eine Strickstrumpfhose, ein riesiger Pullover und ein Strohhut.
Ich selbst zog mein schönstes Kleid an – bodenlang und weiß – machte mir zwei Zöpfe und kniff mir in die Wangen wie es meine Mutter immer machte, damit ich nicht so blass aussah. Das i-Tüpfelchen meines Outfits waren die Clipohrringe aus Plastik, die mein größter Schatz waren.

So ausgerüstet brachte mein Vater uns an die Bushaltestelle und war anscheinend nicht bei der Sache, sonst hätte er bemerkt wie lächerlich wir beiden aussahen.
Der Busfahrer grinste uns nur an und sagte zu meinem Vater „Ich bring die Hoheiten schon sicher an ihr Ziel“ und fuhr los.
Meinen Bruder nahm ich auf den Schoß und die Reise von ca. 15 Minuten kam uns vor wie eine Weltumrundung.
Als der Busfahrer dann anhielt und sagte, dass wir hier aussteigen müssten, wartete unsere Oma bereits an der Haltestelle. Wir stiegen Hand in Hand aus und gingen zu ihr. Sie guckte erst verwirrt und dann fing sie an zu lachen. Obwohl wir natürlich einfach lustig aussahen in diesen Klamotten, konnte ich nicht nachvollziehen wie sie mich so demütigen konnte an diesem großen Tag! Ich riss mir die Ohrringe ab und raufte mir die Haare vor Wut!
Den Rest des Tages verkroch ich mich hinter einem Vorhang in ihrem Wohnzimmer und schmollte – ich war so wütend auf sie und konnte nicht verstehen, dass mein Bruder trotzdem noch mit ihr spielen wollte!

Noch heute zieht meine Oma mich auf wie lächerlich wir ausgesehen haben aber dann sagt meine Mutter immer „Unsere Hannah war doch immer ein romantisches Kind!“.