Symboliken in Stephen King Romanen

10.12.13

Letztens las ich einen Artikel über die Symboliken in Romanen von Jack Kerouac, Ray Bradbury und anderen, die von einem (damals) Schüler dazu befragt wurden, ob sie diese Symboliken bewusst oder unbewusst in ihre Texte eingebaut haben. Bei beispielsweise Kerouac ist das natürlich eine ganz und gar dumme Frage, weil er – im Gegensatz zu den meisten der anderen befragten Autoren – keine wirkliche Fiktion schreibt.

“Symbolism is alright in ‘fiction’ but I tell true life stories simply about what happened to people I knew.”

(vgl. Reilly, Lucas 2013)

Ich glaube, das löst in mir diese fast schmerzhafte Sehnsucht aus, sobald ich seine Bücher lese: Dieses Wissen, dass er seine eigene Wahrheit niedergeschrieben hat und es so oder so ähnlich tatsächlich war und passiert ist, aber natürlich nie wieder sein kann, sodass ich es nie erleben kann. So geht es mir mit den meisten Autoren der Beat-Literatur, die ein Bild der Welt zwischen 1950 und 1970 zeichnen – eine Zeit, in der ich so unglaublich gerne gelebt hätte.

Aber um zurück zu Stephen King zu kommen: Er verwendet unglaublich viele – speziell wiederkehrende – Symboliken in seinen Büchern, die (alles andere würde mich wirklich überraschen) bewusst eingesetzt und strapaziert werden. Er hat dieses Talent, sie so selbstverständlich einzubauen, dass man nicht einmal merkt, dass es sich um einen Teil der Fiktion handelt. Die meisten seiner Städte existieren nicht oder nicht ganz und das, obwohl sie sich so echt anfühlen, wenn er die Figuren hindurch wandern lässt, als gäbe es Straßenkarten, an denen er sich orientiert.

„I began to turn the idea over in my mind, and it began to coalesce into a possible novel. I thought it would make a good one, if I could create a fictional town with enough prosaic reality […]“

(King, Stephen 1980)

Ein wahrscheinlich gar nicht so geheimes Geheimnis von King ist eines, das er mit vermutlich unglaublich vielen Schreibern teilt: Er recherchiert nicht gerne. Für seinen Roman Der Anschlag lässt er sich die Informationen von seinem höchst eigenen Researcher Russ Dorr zusammentragen. Das heißt für ihn natürlich nicht, dass er auf das Anlesen von Informationen verzichten kann, es heißt aber definitiv, dass sein Researcher eine Vorauswahl für ihn trifft, an der er sich orientieren kann und die es u. a. auch bedingt, dass er eben nicht die Randstücke liest – die Sachen, die vielleicht nicht wichtig sind, es nie ins Buch schaffen, sich aber später niederschlagen in Aussagen wie „King kommt ganz eindeutig mit den Fakten nicht zurecht. Je näher sein Roman zeitlich an den Tag des Attentats heranrückt [..], desto hölzerner arbeitet sich Der Anschlag an den recherchierbaren […] ab.“ (Schröder 2012:2) Ist natürlich völliger Schwachsinn: Natürlich kommt King mit den Fakten zurecht, er erlaubt sich aber eine gewisse Faulheit, die ihm bei fiktiven Städten wie Castle Rock und Derry bzw. fiktiven Geschichten jeder nachsehen wird, bei einem Recherche-Epos wie Der Anschlag aber einfach ins Gewicht fällt.

Literarisch betrachtet lässt aber nicht nur Der Anschlag das Herz eines jeden Literaturwissenschaftlers höher schlagen, sondern auch die Gesamtheit von Kings Werken. Während Nora Roberts mit dem Schema „drei Männern und drei Frauen stehen in einer beliebigen (aber meist romantisch-kitschigen) Beziehung zueinander“ in einer Trilogie arbeitet, John Irving immer wieder das Lebensbild mutterabhängiger und zugleich -verstoßener Jungs mit Schreibambitionen zeichnet und sich beides anfühlt, wie eine mehr oder minder gut verpackte Wiederholung von Mustern, arbeitet Stephen King werkübergreifend. In Der Anschlag taucht nicht nur der serienmordende Clown aus Es auf, der als Großfigur jedem King-Leser bekannt sein dürfte, sondern auch kleinere Figuren wie Beverly Marsh und Richie Tozier, die dort in den 50er Jahren auf einer Wiese tanzen. Und ich bin mir fast sicher, dass in dem böse und lebendig wirkenden Tunnelschacht in Derry Randall Flagg lauert, der schon Larry Underwood in The Stand zugesetzt hat. Flagg, der mich wirklich über alle Maßen ängstigte und dafür sorgte, dass ich einige Nächte meines Lebens mit eingeschaltetem Licht schlafen musste, taucht seinerseits wieder in anderen Büchern auf, wie z. B. in Die Augen des Drachen oder Atlantis, aber auch in der Saga um den Dunklen Turm.

Um aber auch nur annähernd deutlich zu machen, was ich meine, gibt es hier eine Visualisierung der Vernetzung innerhalb von Stephen Kings Romanen (ohne Berücksichtigung der Dunklen Turm Saga). Es gibt auch noch eine Version, die die Dunkle Turm Saga enthält – spätestens dort sollte ersichtlich sein, wie umfangreich diese Vernetzungen wirklich sind.

Generell erfüllt Stephen King viele der Faktoren, die laut Delayed Gratification notwendig sind, um „ein gutes Buch“ zu schreiben. Dazu wurde übrigens eine hübsche Infografik erstellt.

Plot-lines

(via)