Bummel durch Europa – Mark Twain

24.05.10

Ich bin immer ganz fasziniert, wenn ich Bücher in Händen halte, die vor Ewigkeiten geschrieben wurden, deren Autoren schon lange tot sind und deren Worte trotzdem weiterleben – ohne, dass sie altbacken wirken, schwer zu lesen sind oder ähnliches.

So ging es mir mit dem Buch von Mark Twain „Bummel durch Europa“. Das knapp 500 Seiten umfassende Buch ist ein Reisebericht Mark Twains von 1878, der uns sicherlich allen ein Begriff ist (siehe Huckleberry Finn etc.), der den Weg von Amerika nach Europa beschreibt, immer wieder auf kleine Unterschiede zwischen den Kulturen eingeht und ihn durch Deutschland, die Schweiz, Frankreich und Italien führt. Besonders interessant – in meinen Augen – ist die Tatsache, dass der Gute zu Abschweifungen neigt. Neben fast touristisch anmutenden Texten über die Städte, die er besucht (Heidelberg, Baden-Baden, Schwarzwald etc.), geht er auch immer wieder auf historische Sagen und Legenden ein, die sich um die jeweiligen Städte ranken. Ebenso liebevoll geht er auf die deutsche Sprache ein, gibt Tipps, wie man diese Verbessern könnte und unterstreicht alles mit einem recht eigenwilligen Humor.

„Da die Koffer nun bereit waren, REISTE er, nachdem er seine Mutter und Schwestern geküßt und noch einmal sein angebetetes Gretchen an den Busen gedrückt hatte, die, in schlichten weißen Musselin gekleidet, mit einer einzigen Teerose in den weiten Wellen ihres üppigen braunen Haares, kraftlos die Stufen herabgewankt war, noch bleich von der Angst und Aufregung des vergangenen Abends, aber voller Sehnsicht, ihren armen, schmerzenden Kopf noch einmal an die Brust dessen zu legen, den sie inniger liebte als ihr Leben, AB.“

Es ist jedoch nicht richtig, allzulange bei den trennbaren Verben zu verweilen. Ganz bestimmt verliert man dabei sehr bald die Geduld; und wenn man an dem Thema klebt und sich warnen läßt, wird es einem schließlich das Gehirn erweichen oder verhärten. Personalpronomen und Adjektive sind in dieser Sprache eine wuchernde Plage und hätten weggelassen werden sollen. Der gleiche Laut „sie“ um Beispiel bedeutet „you“ und bedeutet „she“ und bedeutet „her“ und bedeutet „it“ und bedeutet „they“ und bedeutet „them“.

Bummel durch Europa – Mark Twain

Anfangs stand ich dem Buch mit einer gewissen Skepsis gegenüber: Ein über 500 Seiten langer Reisebericht? Einzig der Name Mark Twain bewog mich, um ein Rezensionsexemplar zu bitten, und ich muss sagen, dass es sich gelohnt hat. Zwar muss man sich erst an den Schreibstil gewöhnen, da er, wie gesagt, zu Abschweifungen neigt, die so abrupt kommen, dass man kaum Zeit hat, sich beispielsweise von Heidelberg zu lösen, ehe man bereits völlig in der Loreley Legende steckt – ist man jedoch erst einmal drin, will man das Buch fast nicht mehr aus der Hand legen.

Neben mir saß eine jungvermählte Engländerin und neben ihr der junge Ehemann, den sie „Neddy“ nannte, obwohl er so groß und handfest war, daß ihm sein vollständiger Name gebührt hätte.

Bummel durch Europa – Mark Twain

Preis vs. Leistung:
[rating:79]
Laut Rückseite: 12,90€ – definitiv nicht zu viel für ein 500 Seiten langes Taschenbuch von Twain.

Schreibstil:
[rating:50]
Der Schreibstil ist eigenwillig. Die Eigenheiten Twains treffen auch für diese Zeit typische Formulierungen, die gehobener wirken, als für einen „einfachen Reisebericht“ notwendig.

Story/Idee:
[rating:78]
Reiseberichte les ich ohnehin immer gerne, doch dieser hier ist wegen der vielen Einzelheiten noch eine Spur toller.